Stück von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann
Die Uraufführung von Gerhart Hauptmanns »Vor Sonnenaufgang« 1889 in Berlin war einer der großen Theaterskandale. Und dies, obwohl die Kritik lobend attestierte, die existierende Menschheit sei »von der Höhe bis in die grauenvollste Tiefe wahr dargestellt«. Hundertdreißig Jahre später katapultiert der österreichische Autor Ewald Palmetshofer Hauptmanns explosives Debüt in unsere aufgeheizte Gegenwart. Eine normale mittelständische Familie. Stiefmutter Annemarie Krause hält den Haushalt zusammen. Ihr Mann Egon hat seinem Schwiegersohn Thomas die Karosserie-Firma vermacht. Die älteste Tochter Martha ist hochschwanger, die jüngere, Helene, zurück im elterlichen Nest, das momentan eine Baustelle ist. Der Anbau soll für Martha, Thomas und den Nachwuchs die neue Heimstatt für eine gesicherte Zukunft sein. Als der Journalist Alfred Loth seinen Studienfreund Thomas nach zwölf Jahren ohne Kontakt erstmals wieder besucht, treten nicht nur familiäre Konflikte zutage, auch der Riss, der durch die Gesellschaft geht, wird schmerzhaft deutlich: Wohin driften wir? Existiert noch eine Bereitschaft, sich zu verständigen, über politische Differenzen hinweg? Gibt es noch einen Sonnenaufgang, der Hoffnung verheißt, oder reiben wir uns nur sinnlos aneinander auf?
Ewald Palmetshofer, Jahrgang 1978, erzeugt in seiner Neubearbeitung eine Atmosphäre des gegenseitigen Belauerns und Abtastens. Mit kunstvoll rhythmisierter, klarer Sprache lotet er die Bruchstellen unserer Zeit in den Figuren psychologisch genau aus und entfaltet eine tragische Wucht, die Hauptmanns Intention und Provokation in nichts nachsteht.
Wir danken der Kreissparkasse Saalfeld-Rudolstadt für ihre Unterstützung im Rahmen der Stückpatenschaft.
»Es zeigt die Erosionserscheinungen eines demokratischen politischen Systems«, schreibt Ulrike Kern über das Schauspiel »Vor Sonnenaufgang«. Während der Aufführung sieht das Publikum einer »Familie beim gegenseitigen Zerfleischen« zu. »Spürbar und sichtbar auf der Bühne« sei außerdem »die Kluft in der Familie, in der Gesellschaft, in der Welt«. Die Botschaft Palmetshofers finde durch den »komplexen Gedankenaustausch selbstreflektierter Personen« statt. Obwohl das »Sprachkammerspiel« den »Rudolstädter Schauspielern einiges abverlangt«, betont Ulrike Kern, dass die Darsteller »souverän und überzeugend ihre Rollen ausfüllen«.
Premiere: 21.09.2019
Spieldauer: Spieldauer: 2 h 50 min / eine Pause
Spielort: Rudolstadt, Theater im Stadthaus
Regie: Jens Schmidl
Bühne und Kostüme: Stefan Heyne
Dramaturgie: Michael Kliefert, Judith Zieprig
Egon Krause: Matthias Winde
Annemarie Krause: Manuela Stüßer
Helene: Marie Luise Stahl
Martha: Laura Bettinger
Thomas Hoffmann: Benjamin Petschke
Alfred Loth: Johannes Geißer
Dr. Peter Schimmelpfennig: Jochen Ganser