Nach dem Film von Helmut Dietl
Buch: Helmut Dietl und Ulrich Limmer nach einer Idee von Ulrich Limmer / Bühnenfassung von Marcus Grube
Was für eine Überraschung: Der Führer hat Tagebuch geführt. »Wenn ich denke … dass wir hier in Händen halten … was er damals in seinen Händen hielt«, kann Verlagsleiter Dr. Guntram Wieland nur stammeln. Der Eishauch der Geschichte zieht durch das Redaktionsbüro seiner großen Illustrierten. »Adolf privat!« Der Mann, der den Jahrhundert-Fund auftat, heißt Hermann Willié – ein Regenbogen-Reporter mit untrüglicher Nase für epochale Schlagzeilen. Doch was weder er, noch Redaktion samt Verlagsleitung ahnen: Der Mann, der auf verschlungenen Pfaden den brandheißen Stoff liefert, ist kein geheimer Verbindungsmann in die DDR, sondern ein simpler Kunstfälscher. Fritz Knobel, so sein Name, hat absolut kein Problem damit, sich in Hitlers Psyche einzufühlen. Die Handschrift des Diktators ist eh schwer zu entziffern. »Gottseidank« liest sich da schnell mal als »Kotzeschtonk«. Und tatsächlich hat die braune Sensation einen üblen Geruch. Als sich die Zweifel an der Echtheit der Tagebücher erhärten, endet der große Knüller schließlich mit einem großen Knall.
Helmut Dietl und Ulrich Limmer greifen den Skandal um die vermeintlichen Hitlertagebücher auf, die 1983 von Konrad Kujau fingiert, im Stern erschienen und die Bundesrepublik für eine Woche in Atem hielten. Ihre humorvolle Satire stellt die Frage nach der Verführbarkeit des Menschen und wirft zugleich einen bösen Blick auf eine Mediengesellschaft, die für Geld und Aufmerksamkeit bereit ist, jeglichen Anstand über Bord zu schmeißen.
Wir danken der Rudolstädter Wohnungsverwaltungs- und Baugesellschaft mbH RUWO für ihre Unterstützung im Rahmen der Stückpatenschaft.
Auf jeden Fall ist »Schtonk!« ein großes Gaudi, egal ob als Film oder nachgeschöpftes Bühnenstück, das der Dramaturg Marcus Gruber schrieb. Die gefälschten Hitler-Tagebücher lieferten 1983 jene wunderbare Vorlage, die man nur noch abzuschreiben resp. abzufilmen hatte, von der Doppelbeziehung des Kujau bis zur Vernarrtheit des Journalisten Heidemann in Hitler-Devotionalien.
In Rudolstadt baute man eine große »Carin II«, Yacht von Göring. Kurz unter der Bühnendecke kabbeln und lieben sich dann die Göring-Nichte (großartig Ute Schmidt, obwohl man ja immer die Figuren des Films vor Augen hat), der Heidemann-, nein Willié-Darsteller Seidensticker und die Stern-Gewaltigen (wunderbar, wie Benjamin Petschke und Jochen Ganser deren zwiefältigen Opportunismus mimen). Quasi im Kielbereich des Schiffes steckt das Wohnstubenatelier des Fälschers Kujau; Marcus Ostberg hat nicht die Malermähne von Uwe Ochsenknecht aus dem Film – das tut der Figur gut. Wie er beim Schreiben der Tagebücher zum Hitler wird – man wartet, wann er sich das Hitlerbärtchen im Wortsinne anstreicht – wie er die bestens bekannten Sätze rollen lässt, (»Die übermenschlichen Anstrengungen … Eva sagt, ich habe Mundgeruch«), das ist große Komödie. Des Fälschers beide Frauen, von Marie Luise Stahl und Ulrike Gronow dargestellt, sind ein herziges Pärchen, wobei Gronow die dankbarere Rolle hat, wahrlich nicht nur wegen ihrer Ansehnlichkeit. (…)
Regisseur Reiner Heise hat eine Arbeit abgeliefert, die vielleicht zum hiesigen Renner werden könnte – noch ist die Spielzeit ganz jung. Nun habe ich den Film schon ein paarmal gesehen – manches hätte ich mitsprechen und mitsingen können – dennoch langweilte ich mich nie. Eine besondere Aktualität hingegen, die vielleicht im Sinne des Theaters lag, konnte ich nicht erkennen.
Als eine »gelungene Premiere«, die »unbedingt einen Theaterbesuch lohnt«, hat Ulrike Kern die Aufführung besprochen. Das Publikum habe sich »auf die Schenkel geklopft vor Lachen«. Das Stück, das überdies Gesellschaftskritik formuliert, die aufzeigt, »wie rasch Menschen jeglichen Anstand, Verstand und Sorgfalt verlieren«, sei »großartiges Theater«. »Überragend« die beiden Hauptdarsteller Seidensticker und Ostberg. Regisseur Reiner Heise gelänge ein »temporeiches, unterhaltsames Stück (…), was letztlich dennoch Nachdenklichkeit hinterlässt.« Bühnenbildner Gruber zaubere gleichermaßen Teile der ehemaligen Yacht Görings wie auch Stern-Redaktion und Fälscher-Stübchen auf die Bühne.
Reiner Heises Inszenierung ziele trotz ihrer Nähe zum Spielfilm auf etwas anderes, nämlich auf das »deutsche Kollektiv-Trauma«. Wenn Hitler irgendwo erscheine, da schaue man hin, schreibt Peter Lauterbach in seiner Kritik. Genüsslich inszeniere Heise »die Wirkung des Gifts«, der »Nazischeiße«, die noch immer funktioniere. Neben »all der herrlichen Komik, die Seidensticker und Ostberg drauf haben, neben allem Jux und Tollerei«, sei eben das die nüchterne Wahrheit.
Premiere: 22.09.2018
Spieldauer: 1 h 45 min / keine Pause
Spielort: Rudolstadt, Theater im Stadthaus
Regie: Reiner Heise
Bühne: Manfred Gruber
Kostüme: Alexandra Bentele
Dramaturgie: Michael Kliefert
Hermann Willié: Markus Seidensticker
Fritz Knobel: Marcus Ostberg
Freya von Hepp: Ute Schmidt
Karl Lentz: Matthias Winde
Biggi: Marie Luise Stahl
Martha: Manuela Stüßer, Ulrike Gronow
Pit Kummer: Rayk Gaida
Dr. Wieland: Johannes Arpe
Uwe Esser: Jochen Ganser
Kurt Glück: Benjamin Petschke, Philipp Haase
Professor Strasser: Wolfgang Kaiser
Reichskanzler / von Klantz / Schuback / Gutachter Schweiz: Horst Damm
Katholischer Pfarrer / Notar Cornelius / Grenzbeamter: Oliver Baesler, Philipp Haase