Im Stillen

Thüringer Theaterfestival »60plus« (3. - 6. Oktober)

Im Rahmen von RUHESTÖRUNG, dem Thüringer Theaterfestival »60plus«

von Clemens Mädge / Junges Schauspielhaus Hamburg

Vor sechzig Jahren fragte sich Margarete, warum alle alten Frauen immer am Fenster sitzen und hinausstarren, wo doch da gar nichts Interessantes zu sehen ist. »Die wollen am Leben teilhaben!« antwortete ihre Mutter. Heute ist Margarete siebzig Jahre alt und allein. Sie lebt zwar mit ihrem Ehemann Hermann seit vierzig Jahren zusammen, nur kann von einem »zusammen« schon länger nicht mehr die Rede sein: Meistens sitzt Hermann vor dem Fernseher und Margarete allein an ihrem Küchentisch – gegen das aufkeimende Gefühl der Einsamkeit bewaffnet mit Fotoalbum, Erinnerungen, Kreuzworträtseln und seit neuestem mit einem Laptop. Was damals das Fenster war, ist für Margarete heute der Computer. Eine alte Schachtel, die frustriert in die Ferne starrt, will sie nämlich nicht sein. Sie will wahrgenommen werden! Doch so einfach ist das nicht. Enkel Jonas hat ihr zwar alles erklärt, doch Kontakte hat sie deshalb noch längst nicht. Wenn schon im echten Leben niemand Interesse an ihr hat, warum dann im Web 2.0?

Also erfindet Margarete sich neu: »Ich bin 25 Jahre alt, wohne in Hamburg und arbeite in einem Café in der Schanze. Ich bin lebenslustig, habe Spaß, gehe gern tanzen und liebe die Natur. Mit freundlichen Grüßen, Maggie.« Margarete wird nun regelmäßige Bloggerin. Die neuen Welten gewähren ihr eine Zuflucht, die sie in der Realität nicht mehr findet. Während sie ihr eigentliches Leben immer kritischer betrachtet, vollzieht sich schleichend ein weiterer Prozess: Margarete wird dement. Machtlos steht Jonas vor seiner Großmutter, die er liebt und die ihn nicht mehr erkennt.

Die Geschichte eines Verlustes – eindringlich, berührend und unsentimental.

Spieldauer: 1 h 02′

Mit: Juliane Koren, Martin Wolf

Regie: Clemens Mädge
Bühne: Anja Kreher
Kostüme: Anja Wendler
Licht: Susanne Ressin
Video: Marcel Didolff
Dramaturgie: Nora Khuon