Aus der komisch-grausigen Welt des Gerhard Polt
Die netten Nachbarn von nebenan – wer kennt sie nicht?! Sie sind freundlich, unvermutet herzlich, verdächtig diskret, immer allwissend, oft nervend, häufig anmaßend. Mal laut, mal leise, mal schweigend. Und immer ein bisschen ins Zündeln verliebt. Der bayerische Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller Gerhard Polt gibt dem deutschen Durchschnittsmenschen in seinen Satiren eine unversöhnlich rumorende Stimme. Mit feiner Beobachtungsgabe nimmt er die Selbstgewissheiten und absurden Daseinserklärungen seiner Mitmenschen aufs Korn. Trotz aller Unterschiede in Alter, Beruf und Geschlecht, ob in der Stadt oder auf dem Lande lebend, haben Polts Figuren etwas gemeinsam: eine fühlende Gefühllosigkeit, die zwischen Bequemlichkeit und Arroganz ein breites Spektrum an Gemeinheiten bereithält. Man höre und staune: Selbst für »Die Verteidigung der Gummibären« lassen aufgebrachte Zeitgenossen alle Hemmungen fallen.
Der auch aus Film und Fernsehen bekannte Gerhard Polt ist ein Ereignis! – meinte schon sein Kollege Loriot. Er besitzt eine große Liebe für das komischblöde Zeug, das Menschen so daherreden und setzt es uns unverblümt vor die Nase. Mit diesem Theaterabend ist die literarisch-musikalische Reihe des Künstlerduos Alexander Stillmark und Volker Pfüller (1939-2020) über große deutsche Humoristen nun ganz in der Gegenwart angekommen.
Bayerischer Humor gilt als krachledern. Bei Gerhard Polt ist das anders. Er durchschaut das bayerische Gemüt in allen Variationen, besonders seinen spitzfindigen. Natürlich gehört dazu die besondere Sprache. Wenn ein im mitteldeutschen angesiedeltes Theater das Wagnis eines Gerhard-Polt-Abends unternimmt, zumal wenn ein Berliner Inszenierungs-Duo (Alexander Stillmark / Volker Pfüller) den Hut, also den Gamsbart auf hat, darf man durchaus hinhören. Die Schauspieler Hans Burkia und Rayk Gaida nutzen hochdeutsch, berlinerisch und kaspertheatralisch. Laura Bettinger hingegen, in Würzburg gebürtig, beherrscht bayerisch in vielen Variationen. Sie kann wunderbar lospoltern und eine verdruckste Hausfrau sein. In Polts berühmter Nummer mit fernöstlichem Weibchen, das man für 2700 Euro aus Bankok eingeflogen bekommt, spielt sie die Mai Ling. Rayk Gaida ist ihr Besitzer und berlinert passend. Alle drei Schauspieler haben wunderbare Kaspernummern drauf und platteln auch immer mal los. Der Musiker des Abends, Uwe Steger, besitzt ein Teufelsding von Akkordeon, das ein ganzes bayerisches Sinfonieorchester erklingen lassen kann. Von der Olsenbande über den Holzmichel bis zum Schubidu beherrscht er alles.
Es gibt auch herzige Kabarett-Nummern im lauschigen Vorort an Müllverbrennungsanlage und Blockheizwerk, bei dem die Welt zwischen Heimatmuseum und Reservat changiert. Wenn sich das biedere bayerische Wohnvolk gegen den neu zugezogenen Araber verbündet, stellt sich heraus, dass er der Hausbesitzer ist. Und wenn ein Tankstellenpächter jugendliche Einbrecher, die ihm den Gummibärenautomaten knacken, abknallt, gilt das im deutschen Gerichtswesen nicht als redliche Notwehr, sondern als Straftat, was dann auch den Titel dieses ungeheuer amüsanten Bühnenstücks rechtfertigt: »Die Verteidigung der Gummibären.« Trotz Corona weiterhin zu sehen.
Die neue Inszenierung »Die Verteidigung der Gummibären« ist eine Art »Best-of der Polt’schen Kabarettnummern«. Mit dieser Produktion wurde die langjährige Zusammenarbeit mit dem Regie-Bühnenbild-Duo Alexander Stillmark und Volker Pfüller fortgesetzt.
Gerhard Polt ist nicht für »Wohlfühl-Comedy« bekannt, vielmehr für »bitterböse Satire«, die klar in diesem Stück zu erkennen ist. Der ein oder andere Witz kann einem dabei schon im »Hals stecken bleiben«. Nichtsdestotrotz besitzen sie immer auch einen »wahren Kern«.
Die aneinander gereihten Nummern werden durch Kasperl- und Musikszenen »rhythmisch« unterbrochen, wodurch es dem Schauspiel-Trio »souverän « gelingt, in die Figurenwelt Polts einzutauchen. Diese Hommage an Polt fordert »charmant« sowohl »den Geist als auch das Zwerchfell« heraus.
Premiere: 09.10.2020
Spielort: Rudolstadt, Theater im Stadthaus
Regie: Alexander Stillmark
Bühne und Kostüme: Volker Pfüller (†)
Dramaturgie: Michael Kliefert
Musik: Uwe Steger
Mit: Laura Bettinger, Hans Burkia, Rayk Gaida
Akkordeon: Uwe Steger