Stück von Niklas Rådström (Deutschsprachige Erstaufführung)
In einer Übersetzung von Steffen Mensching
Premiere am 28. Januar 2017, Theater im Stadthaus
Die Bibel als Theaterstück? Was für ein aberwitziges Unterfangen! Allein die Besetzung: mehr als dreitausend Personen werden erwähnt, dann die Schauplätze: Berge, Meere, Wüsten, babylonische Ruinen, Walfischmägen, die Katastrophen: Fluten, Kriege, Plagen, Stürme; die Wunder: diverse Engel, unerklärliche Schwangerschaften, bizarre Heilungen, brennende Dornbüsche. Und, gesetzt, man überwindet alle Hindernisse, so blieben heutige Empfindlichkeiten: Wird man Gläubige verprellen, wenn man sich vom Allerheiligsten ein Bild macht, kann man Nichtchristen trotz ihrer Vorurteile überzeugen, dass diese archaischen Geschichten erzählenswert sind? Ist es heikel, das Buch der Bücher aufzuschlagen, gerade jetzt, wo Toleranz in religiösen Fragen gefordert scheint?
Der schwedische Autor Niklas Radström verbindet zentrale, ausgewählte Motive des Alten und Neuen Testaments zu einer kolportageartigen Revue, die von der Genesis bis zur Legende von Jonas und dem Walfisch führt. Er nimmt die biblischen Geschichten ernst, als Mythen, die uns vom Kern der menschlichen Existenz erzählen. Sein Zugriff ist weltlich und gegenwärtig. Ob Kain, Noah, Moses, Lots Weib, Sarah, Paulus, Hiob, Jesus, Pilatus, Maria Magdalena, Jesaja − die Menschen irren auf ihrem Lebensgang mehr, als dass sie zu Erkenntnis gelangen. Ihr Weg ist voller Sünde und Streit, ihr Alltag ist Krieg, Hunger, Mord und Totschlag, Exil, Verfolgung, Rache. Und der Herrgott bleibt ein durchaus zorniger Initiator.
In einem Augenblick, als niemand den Ausbruch aus dem fatalen Teufelskreis der Geschichte erwartet, betritt ein Mann die Bühne, der es anders macht, anders meint als alle: Jesus, die Ausnahmeerscheinung, der die andere Backe hinhält und Liebe für die Feinde fordert. Er verkündet die frohe Botschaft der Liebe, die den Pragmatikern der Macht wie eine Albernheit oder die Tat eines Wahnsinnigen vorkommt. Jesus ist – als Figur und als Mythos – ein Provokateur, eine historische Zäsur, die Unterbrechung des Immergleichen.
Niklas Rådströms Theaterstück »Die Bibel« erzählt in einundvierzig Szenen von der blutigen Spur der Menschheit und zwingt uns zum prüfenden Blick in den Spiegel. Sind wir, trotz aller technologischen und sozialen Entwicklung, wirklich vorangekommen? Bietet Glaube Hilfe im Chaos des historischen Prozesses? Will Gott Gehorsam oder Verantwortung? Kann man sich aus Knechtschaft befreien? Was bedeutet Treue, wo beginnt Verrat? Fragen über Fragen …
Seine Uraufführung erlebte das umfangreiche Werk 2012 im schwedischen Theater Göteborg. Fünf Jahre später kommt es in Rudolstadt als Auftakt zum Reformationsjahr 2017 in einer Übersetzung von Steffen Mensching zur deutschsprachigen Erstaufführung.
Wir danken der Schokoladenfabrik Berggold GmbH für die Unterstützung im Rahmen ihrer Stückpatenschaft.
Spieldauer: 3 h 45 | eine Pause
Fotos: Harald Wenzel-Orf / Friederike Lüdde / Lisa Stern
Premiere: 28.01.2017
Bühne und Kostüme: Mathias Werner
Regie: Alejandro Quintana
Musik: Uwe Steger
Dramaturgie: Michael Kliefert, Johannes Frohnsdorf
Choreografie: Julieta Figueroa
Ratte / Zweiter Engel des Herrn: Johannes Arpe
Erklärerin / Ziege / Sarah / Zacharias / Elisabeth: Verena Blankenburg
Handwerker / Giraffe / General / Aron / Tempeldiener / Gefangener: Joachim Brunner
Löwe / Noah / Müllmann / Jonathan (Kind) / Pilatus: Hans Burkia
Hund / Abraham / Samuel (Kind) / Paulus: Horst Damm
Bühnenarbeiter / Shem / Gesetzloser 1 / Pharao / General / Jesaja / Sofar: Jochen Ganser
Mann: Johannes Geißer
Kuh / Kriegerin / Generalsfrau / Tempelbesucher / Maria Magdalena: Ulrike Gronow
Frau: Anne Kies
Blaumeise / Shifrah / Lehrerin: Laura Bettinger
Japhet / Gesetzloser 4 / Jesus / Handwerker / Tempeldiener: Tino Kühn
Beleuchtungsmeister / Gesetzloser 3 / Korach / Tempelbesucher / Jeremia / Eliphas: Jakob Köhn
Ham / Obdachloser / Junge: Andreas Mittermeier
Kain / Elephant / Gesetzloser 2 / Joshua / Hiob: Marcus Ostberg
Katze / Lots Weib / Miriam (Kind) / Hohepriester: Ute Schmidt
Inspizient / Erklärer / Engel des Herrn: Markus Seidensticker
Adataneses / Pflegerin / Jona: Marie Luise Stahl
Eule / Dritter Engel des Herrn: Manuela Stüßer
Bühnenbildner / Hyäne / Moses / Prediger / Atheist: Matthias Winde
Musiker: Uwe Steger
Chorszenen: Spielensemble:
Aron: Benjamin Petschke