Der Grund dafür, dass Rudolstadt heute ein Theater besitzt, ist wahrscheinlich das traditionelle »Vogelschießen«. Im Jahre 1792 ordnete Fürst Friedrich Karl von Schwarzburg-Rudolstadt die Errichtung eines Komödienhauses an, das den Bürgern für die Zeit des beliebten Volksfestes Bildung und Kultur vermitteln sollte.
Auf dem Anger in Rudolstadt entstand schließlich ein bescheidener leichter Holz- und Fachwerkbau, der am 26. Juli 1793 eröffnet wurde. Die erste Saison dauerte knapp zwei Monate.
Auch Johann Wolfgang von Goethe ließ seine Schauspieltruppe aus Weimar, die damals die allererste Adresse in Deutschland war, in Rudolstadt gastieren. Er übernahm im Jahr 1794 sowie von 1796 bis 1803 die Programmauswahl und zeigte dem Publikum das Neueste und Aufregendste, was Theater zu seiner Zeit zu bieten hatte. Dazu gehörten seine eigenen Werke, aber vor allem die neuen Dramen Schillers und die Opern Mozarts. Es war in Rudolstadt, wo sich Friedrich Schiller und Goethe am 7. September 1788 das erste Mal persönlich begegneten. Schiller genoss in der Schwarzburgischen Residenz die Zuneigung der Lengefeld-Schwestern und bekam entscheidende Anregungen für seine Ballade »Das Lied von der Glocke«. Seine Dramen, wie »Die Räuber« und »Don Karlos«, waren dem hiesigen Publikum aber oftmals zu modern.
Trotz allem und obwohl das Haus mit 500 Sitz- und Stehplätzen für eine 4000-Einwohner-Gemeinde ziemlich groß schien, waren die Vorstellungen zumeist sehr gut besucht.
Neben Goethe und Schiller weilten noch andere bekannte Künstler in Rudolstadt. Beispielsweise soll Carl Maria von Weber hier als Knabe in der »Zauberflöte« mitgesungen haben. Im Jahr 1829 gaben der Teufelsgeiger Niccolò Paganini und 1844 Franz Liszt ein Konzert. Richard Wagners »Tannhäuser« wurde im Jahr 1855 kurz nach der Uraufführung hier gezeigt. Der Komponist der Oper gastierte 1834 sogar selbst als junger Musikdirektor der Bethmannschen Operntruppe sechs Wochen lang in Rudolstadt. Nicht zu vergessen ist der Besuch von Robert und Clara Schumann während einer Reise nach Bonn im Jahr 1845. Er inspirierte Robert Schumann zu einer Skizze der Heidecksburg.
1844 sollte an die Stelle des alten Holzgebäudes ein repräsentatives Steinhaus nach dem Vorbild der Dresdner Semperoper entstehen. Fürst Friedrich Günther stoppte die Bauarbeiten 1848 allerdings, denn nach den Ereignissen der bürgerlichen Revolution von 1848 wollte er seinen Untertanen kein Theater mehr bezahlen. Erst 1867 folgte ein weiterer halbherziger Umbau, bei dem allerdings die Toiletten vergessen wurden.
Bis zur Abdankung des Fürsten Günther Viktor von Schwarzburg-Rudolstadt am 1. November 1918 stand die Bühne unter Führung der fürstlichen Regierung. 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde das Theater dann in städtische Verwaltung überführt. Die Stadt ließ nichts unversucht, um Geld für den Umbau aufzutreiben. Sogar ein Brief an den amerikanischen Multimillionär John Rockefeller mit Bitte um Unterstützung wurde geschrieben.
Es war vor allem der Bürgermeister Dr. Erwin Moll, der sich von Ende der zwanziger bis Ende der 30er Jahre sehr für das Fortbestehen des Theaters und einen Theaterneubau einsetzte. Aber selbst der Entwurf des berühmten Bauhaus-Gründers und Architekten Walter Gropius konnte nicht in Angriff genommen werden, weil alle Finanzierungsmodelle am Einbruch der Weltwirtschaftskrise scheiterten. In den Jahren 1922 und 1928 wurden lediglich die gröbsten technischen und baulichen Mängel beseitigt sowie im Jahr 1929 der alte Kohleofen durch eine Dampfheizung ersetzt.
Trotz fataler baulicher Mängel spielte das Theater weiter. Musikdirektor Ernst Wollong initiierte die »Historischen Musikfeste«, die vor allem bedeutende Komponisten der Rudolstädter Musikgeschichte (Erlebach, Graf, Foerster, Gebel, Scheinpflug und Eberwein) ins Blickfeld rückten. Ab 1933 wurden diese Festspiele von Intendant Egon Schmid durch Freilichtaufführungen auf der Heidecksburg erweitert. Die Einstufung als »reichswichtig« sicherte staatliche Förderung. In der Außendarstellung wurde die gezielte Einbindung in die nationalsozialistische Propaganda aber geschickt zurückgedrängt. Die Festspieltradition setzte sich auch nach dem Krieg fort.
Am 1. September 1949 wurde die »Städtische Bühne Rudolstadt« geschlossen und der »Deutschen Volksbühne Rudolstadt« als Spielstätte zur Verfügung gestellt.
Von 1950 bis 1953 fungierte das Theater als »Haus Rudolstadt der Stadt Greiz«.
1954 hatte das Theater endlich seine Eigenständigkeit als Einrichtung mit drei Spielgattungen wieder gewonnen. Auch ein festes Ensemble wurde engagiert. Der massenhafte Zuzug von Arbeitern für das Stahlwerk Maxhütte versprach tausende neue Zuschauer.
Zwei Jahre später wurde das Haus von Grund auf rekonstruiert. Das baufällige Fundament wurde erneuert und zusätzlich ein Anbau an der Südseite errichtet. Außerdem integrierte man eine breite, massive Treppe, Garderoben im Erd- und Obergeschoss, ein Bufett im Obergeschoss, Toiletten im Erdgeschoss und neue Heizungsanlagen.
1970 schloss man an die Renovierungsarbeiten der 50er Jahre an, erneuerte die elektrischen Anlagen, vergrößerte die Probebühne und baute Werkstatt- und Lagergebäude.
Gleichzeitig wurde in der ehemaligen Pörz-Bier-Halle auf Anregung von Uschi Amberger, einer engagierten Opernsängerin und Diseuse, die sich bis heute dem Wohl des Theaters verschrieben hat, eine weitere Spielstätte eingerichtet. Im »Schminkkasten« können die Zuschauer seitdem während der Vorstellung an Tischen Getränke und kleine Speisen genießen.
Mitte der 70er Jahre erlangte das Theater über die Grenzen der Stadt hinaus (Intendant: Otto Mahrholz) zunehmend an Bedeutung: Im Schauspiel initiierte Oberspielleiter Klaus Fiedler politisches Theater, brachte kritische Themen in modernen Inszenierungen auf die Bühne. Während sich draußen im Land mehr und mehr eine »bleierne Zeit« ausbreitete, versuchte das Rudolstädter Theater-Team einen ästhetischen Aufbruch. Die anspruchsvollen Theaterfeste (»SPEKTAKEL 1977« und »SPEKTRUM 1978«) fanden überregionale Anerkennung.
Auch die Ballettsparte unter Choreograf František Sládecek hob sich in dieser Zeit hervor: Beachtenswerte Erfolge erzielte die Truppe, als sie mehrmals den Ballettwettbewerb der DDR gewann.
In den Jahren 1982 bis 1984 gab es erneut einen kostenaufwändigen Theaterum- und Erweiterungsbau.
Das Haus erhielt eine ausreichende Fundamentstütze und ein Bühnenhaus mit Anbau. Auch die Innenräume wurden neu gestaltet und mit moderner Bühnentechnik ausgestattet. Im Zuschauerraum wurde der Rang entfernt und der Tribünenanstieg erhöht. So existieren heute 260 nicht sichtbeschränkte Plätze im Theater Rudolstadt. Die offizielle Eröffnung des neuen Hauses fand im Rahmen einer Theaterfestwoche im Juni 1986 statt.
In der Zeit der politischen Wende um 1989 wurde das Theater – unter dem Intendanten Horst Liebig und dem Oberspielleiter Axel Vornam – durch seine neue Lesereihe »Dialog 89« zu einem Zentrum der öffentlichen Diskussionen und zu einem Vorreiter für Protestbewegungen in der Stadt.
Der Zuschauerraum des Theaters war in dieser Zeit permanent überfüllt. Kurz danach sollte er plötzlich, wie an vielen Häusern der ehemaligen DDR, permanent leer sein. Nach Mauerfall und Wiedervereinigung brachen zum einen organisierte Besucherstrukturen weg, zum anderen hatten die Theater der ehemaligen DDR ihre Bedeutung als Orte des politischen Widerstands verloren und mussten sich nun andere künstlerische Inhalte suchen.
Ab 1992 stellte Intendant Prof. Dr. Peter P. Pachl das Theater mit einem neuen künstlerischen Konzept auf, das selten aufgeführte Werke in den Mittelpunkt rückte. Das Theater wurde dem Zweckverband »Thüringer Landestheater Rudolstadt und Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt« unterstellt, bis dieser Mitte der 90er Jahre als Körperschaft der Eisenacher Stadttheater GmbH beitrat.
Im August 2003 wurde das Theater Rudolstadt wieder von Eisenach gelöst, als erstes Theater in den neuen Bundesländern nach den Zwangsfusionen, und ging in der Spielzeit 2003/2004 eine Kooperation mit dem Theater Nordhausen ein. Seitdem tauschen diese beiden Theater ihre Inszenierungen aus: Musiktheaterproduktionen aus Nordhausen spielen in Rudolstadt mit den Thüringer Symphonikern Saalfeld-Rudolstadt, die seit 1997 von Musikdirektor Oliver Weder geleitet werden, und Schauspielinszenierungen aus Rudolstadt werden in Nordhausen gezeigt.
Von 2003 bis 2008 war Axel Vornam, der Oberspielleiter der Wendezeit, Intendant des Hauses. Er gründete die Spielstätte für Kinder- und Jugendtheater »theater tumult« und konnte finanzielle Kürzungspläne seitens der Thüringer Landesregierung in letzter Sekunde verhindern. Seit der Spielzeit 2008/2009 ist Steffen Mensching Intendant des Theaters Rudolstadt. Noch weit mehr als sein Vorgänger setzt er auf die in Deutschland einmalige künstlerische Konstellation, dass ein Orchester und ein Schauspielensemble gemeinsam unter einem Dach beherbergt sind. Mit Uraufführungen wie »Drunter und Drüber« und »Die Schicksalssinfonie« zeigte er zusammen mit dem Chefdramaturgen Michael Kliefert, dass man spartenübergreifende Produktionen erfolgreich in den Spielplan integrieren und damit überregionale Aufmerksamkeit erregen kann. Gastspiele im Berliner Maxim Gorki Theater und die Fernsehaufzeichnung von »Drunter und Drüber« für den Fernsehsender »arte« waren die Folge. Die künstlerische Ausstrahlung des Hauses, steigende Besucherzahlen und Menschings vehementer Einsatz für den Erhalt der beiden Sparten Schauspiel und Orchester führten dazu, dass das Theater Rudolstadt in seiner heutigen Aufstellung bis 2021 finanziell gesichert ist.
Aufgrund von Renovierungsarbeiten ist das Große Haus seit Januar 2017 geschlossen. Gespielt wird seitdem im Ausweichquartier Theater im Stadthaus, das extra dafür hergerichtet wurde.
Mit Beginn der Spielzeit 2017/18 ist das Landestheater Eisenach als neuer Kooperationspartner hinzugekommen. Während dort Schauspielinszenierungen aus Rudolstadt gezeigt werden, kommt das Junge Schauspiel Eisenach mit Produktionen für Kinder und Jugendliche ans Theater Rudolstadt.