Eine vergnügliche Theatertherapie
»Man soll die Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sie sind«, schlug einst Karl Valentin seinen Zeitgenossen vor. Der bayerische Komiker wusste aus eigener Erfahrung, es gibt Zeiten, die sind so fatal ernsthaft, dass sie nicht zu ertragen wären ohne eine kräftige Portion Humor. Die Pandemie scheint im Abklingen, aber was sind die mentalen Folgen? Haben wir nicht alle einen Knacks bekommen? Seit jeher war es die Aufgabe der Kunst, uns das große Durcheinander im Weltenlauf und die eigenen Ungereimtheiten erhellend vor Augen zu führen. Nach der langen Kunstpause laden wir Sie für die Aufbesserung Ihres Befindens zu einer geselligen Theatertherapie ein. Unsere Freiluftklinik liegt idyllisch am Berg, umgeben von den Schlossmauern der Heidecksburg. Chefarzt Prof. Dr. hon. causa Karl Stillerbach (alias Steffen Mensching) hat Sprechstunden an jedem Wochenende bei Sonnenuntergang, Familienaufstellungen auch am Sonntagnachmittag. Unsere Schauspieler und Schauspielerinnen sind stellvertretend für Sie bereit, sich auf die Couch zu setzen. Freuen Sie sich auf eine »spritzige« Frischzellenkur mit Liedern, Geschichten und Sketchen, immer nah am Puls der Zeit. Liebes Publikum, alte Liebe rostet nicht! Und gemeinsam Lachen ist die beste Medizin oder sogar Wein für die Seele.
Sprechstunden nach Sonnenuntergang an jedem Wochenende
Rudolstadt. Darauf hatte man sehnlichst gewartet: Wieder einmal Kunst und Kultur. Nun sogar mit einer Premiere des Theaters Rudolstadt, dass damit am Samstagabend die Saison des Sommertheaters eröffnete. Nicht wie sonst mit einer Zuschauerkulisse von 600 Zuschauern, sondern mit gefüllten 240 Plätzen in Form von abstandgerechten Bänken. Im Mittelpunkt stand Chefarztprof. Dr. hon. cousa Karl Stillerbach, alias Steffen Mensching, mit seiner Selbsthilfegruppe (SHG) in der Freiluftklinik auf der Heidecksburg.
Professor Stillerbach lässt anklingen, auf was sich das Publikum in der zweistündigen Vorstellung einstellen kann, auf eine vergnügliche Theatertherapie, in einer Zeit der Irren und Idioten. Überhaupt sitze man hier rum und die Ärzte hätten viel zu tun. Übrigens gingen als kleines Dankeschön der Thüringenklinik 233 Freikarten zu. Davon nutzten zur Vorstellung gestern (Sonntag) 50 Mitarbeiter diese wie im Vorfeld als „spritzige“ Frischzellenkur mit Liedern, Geschichten und Sketchen angekündigte Vorstellung.
Die stellte sich als eine ausgesprochen gesellschaftskritische Aufführung dar, die zwar viele Akzente und Angriffe an das Zwerchfell stellte, aber auch ein riesiges Durcheinander bezüglich gesellschaftlicher Vielfalt, eine Momentaufnahme von Tragik bis Humor. Produziert und dargestellt von den bunten Charakteren der neunköpfigen SHG, jeder nach seiner Art. Beginnend von der Schmusekatze Verena, Johannes mit seiner übergroßen Libido bis zu Markus mit seinem Siegmund-Freud-Komplex, umrahmt mit der Musiktherapie von Thomas Voigt.
So vielfältig die Charakteren, so vielfältig blätterte auch die Premiere unter dem Titel „Komm ins Offene …“ in den Themen in der Gesellschaft, die über Monate von der Pandemie geprägt und mitbestimmt wurden. Wahrscheinlich bedeute das auch für die Dramaturgen, wie Michael Kliefert, Katja Stoppa und Judith Zieprig Schwerarbeit, das in Summe auf die Bühne zu bringen. Ganz zu schweigen von den Soloauftritten, die durch die einzelnen Mitglieder der SHG das Programm prägten. So fügen sich dann die Aussagen zum Finale wo es heißt „Wir sind die Krone der Schöpfung“, die auch als Frage zu verstehen ist, und „Nimm dir das Leben und gib es nie wieder her“.
Zum Schluss der Vorstellung erinnerte Mensching als Intendant an den jüngst verstorbenen Vorsitzenden des Theaterfördervereins Matthias Biskupek, als guten Freund des Theaters, der viel für das Haus getan habe und hier auch im Gedächtnis bliebe. Traditionsgemäß wurden wieder Mitarbeiter des Theaters verabschiedet, deren Wirkungsstätte an anderen Orten fortgesetzt wird, wie die Malsaalleiterinnen Anja Hentze und Nora Ferl, Musikdramaturg Carlo Mertens, die Schauspieler Philipp Haase, Manuela Stößer, Marie Luise Stahl sowie René Stoof.
Zur Vorstellung äußerte sich auf Anfrage von OTZ ein Professor, nämlich Dr. med. Edgar Nagel wie auch Katleen Fox. „Es war ein schöner Abend, schönes Wetter, nette Stücke“, sagte Nagel zu den einzelnen Stücken, wobei es diesmal kein zusammenhängendes Geschehen gab. Man habe die momentane Situation in der Gesellschaft versucht künstlerisch zu verarbeiten mit menschlichen Situationen darauf – das war gelungen, meinte der Augenarzt. Kathleen Fox von der Theatergruppe in Heilsberg nahm etwas Normalität wieder mit nach Hause, um vielleicht privat und auch mit dem Theater in Heilsberg wieder in den Rhythmus zu gelangen und in der Gemeinschaft zusammen sein zu können. „Es hat mich heute sehr berührt“, sagt sie. Im Januar vergangenen Jahres habe man sich ein neues Stück ausgesucht, das in die momentane Zeit des Handys genau hineinpassen würde. Nach dem Theaterbesuch hofft sie, wieder Fahrtwind aufnehmen zu können. Sie habe sich gefragt, wie man das alles vor der Pandemie geschafft habe: Theater, Arbeit, Kinder, Familie, Hobby und noch ein Ehrenamt, da müsse man schauen, wie man wieder in den alten Rhythmus reinkommt.
Weiter Vorstellungen auf der Heidecksburg: 18./25./26. Juni 2021, 19.30 Uhr; 27. Juni 2021, 18 Uhr; 9./10./16./18.23./24.Juli 2021, 19.30 Uhr
Nach dieser langen Pause, freut sich die Kritikerin Ulrike Kern, bietet das Theater mit der neuen Inszenierung endlich wieder »Frischzellenkur für die Seele« und einen »feingeistigen Blick« auf diese verrückten Zeiten.
Das Theater schaffe es mit seiner neuen Inszenierung »Komm ins Offene«, unter der künstlerischen Leitung von Steffen Mensching, das »leidliche Pandemie-Thema« mit viel Humor zu betrachten, so die Ostthüringer Zeitung. Dabei führt Steffen Mensching, als »der rote Faden«, der alles zusammenhält, durch den Theaterabend und die Therapiestunde. Zu beobachten sei, wie »großartig« er seine Rolle dabei ausfülle. Mit ihm auf der Bühne: Verena Blankenburg, Jochen Ganser, Johannes Geißer, Ulrike Gronow, Anne Kies, Marcus Ostberg, Benjamin Petschke, Markus Seidensticker und Matthias Winde, deren Figuren ihre eigenen Zwänge und Ängste haben, die es aufzuarbeiten gilt. Denn: »Das Leben sei ohnehin wie Thüringen, es gehe immer bergauf, bergab«.
Die Inszenierung besteht aus »liebenswerten Stücken« zum In-Sich-Hineinhorchen, über einen »unbändigen Drang«, die »Notbremse« zu ziehen, über Aggressionen, Beziehungen und greift die außerordentliche Frage auf: »Was wäre, wenn wir alles lassen, was wir hassen«? Vor allem Markus Seidensticker steche mit seiner Nummer heraus, ein richtiger Schenkelklopfer. Aber auch Verena Blankenburg zieht mit ihrer »wundervollen« und »herrlich albernen Sprach-Nummer« das Publikum in ihren Bann, so Kern. Alles in allem sei die Inszenierung »ein toller Theaterabend in Rudolstadt«.
Premiere: 12.06.2021
Spieldauer: 2 h / eine Pause
Spielort: Rudolstadt, Heidecksburg
Künstlerische Leitung: Steffen Mensching
Ausstattung: Monika Maria Cleres
Konzeptionelle Mitarbeit: Michael Kliefert, Katja Stoppa, Judith Zieprig
Musikalische Einstudierung und Begleitung: Thomas Voigt
Mit: Verena Blankenburg, Jochen Ganser, Johannes Geißer, Anne Kies, Marcus Ostberg, Benjamin Petschke, Markus Seidensticker, Matthias Winde, Ulrike Gronow, Thomas Voigt, Steffen Mensching