Stück von François Archambault
Deutsch von Gerda Poschmann-Reichenau / Deutsche Erstaufführung
Sein Leben lang hat sich Édouard mit der Vergangenheit beschäftigt. Er ist Historiker, Universitätsprofessor, ein gefragter Interviewpartner, dessen Meinung zu brisanten Themen der Gegenwart gehört wird, der das Rampenlicht der Öffentlichkeit genießt. Doch auf einmal muss er kürzertreten. Denn der Mann mit dem »phänomenalen Gedächtnis« hat ein Problem: Er kann sich immer weniger erinnern. Um nicht gänzlich den Halt zu verlieren, klammert er sich wie ein Besessener an sein Langzeitgedächtnis. Er braucht Hilfe, aber Madeleine, seine Frau, fühlt sich der Situation nicht gewachsen und überlässt die Betreuung der gemeinsamen Tochter Isabelle. Da auch sie durch ihre Arbeit stark eingespannt ist, kommt Bérénice ins Spiel, die Tochter ihres Lebensgefährten, die anfänglich nicht die geringste Lust hat, sich mit dem kauzigen Professor abzugeben. Die flatterhafte junge Frau und der Intellektuelle, der gegen die Verdummung der heutigen Jugend wettert, könnten verschiedener nicht sein. Trotzdem finden sie einen Draht zueinander, bei dem auch ein gutgehütetes Familiengeheimnis ans Licht kommt.
Der kanadische Dramatiker und Regisseur François Archambault wirft mit seinem witzigen wie berührenden Theaterstück u. a. die gewichtige Frage auf, ob die permanente Informationsflut der Gegenwart unsere Gehirne nicht überfordert. Und wenn ja, was heißt das für die Zukunft? »Tu te souviendras de moi« wurde 2014 in Montreal uraufgeführt und sechs Jahre später verfilmt. In Deutschland lief die Kinoversion 2023 unter dem Titel »Du wirst mich in Erinnerung behalten« an. Hierzulande kommt der Stoff in Rudolstadt zum ersten Mal auf eine Theaterbühne.
Wir danken der Kreissparkasse Saalfeld-Rudolstadt für die Unterstützung im Rahmen der Stückpatenschaft.
Kritikerin Ulrike Merkel wirft »erhellende Schlaglichter« auf das Stück über Demenz und digitale Medien. »Verkörpert wird der gealterte Professor von Matthias Winde (71). Der in Erfurt lebende Schauspieler verleiht seinem Édouard feinsinnige Zerbrechlichkeit, stille Verzweiflung, aber auch gewitzte Selbstironie, dass das Publikum den Alten zwangsläufig ins Herz schließt.« Diesem Senior verzeihe man auch die gelegentlichen Granteleien, die Alter und Krankheit mit sich bringen. »Regisseur Herbert Olschok hat sich sehr gefreut, das Stück in Rudolstadt inszenieren zu können. Er hat Freunde in Kanada. Die in dem Schauspiel angesprochenen Abspaltungsbestrebungen des französischen Gebiets hat er hautnah erlebt.« Bühnen- und Kostümbild übernahm Andrea Eisensee, die ehemalige Set-Dresserin des Kultfilms »Good Bye, Lenin«. Für Rudolstadt entwickelte die gebürtige Weimarerin transparente, variable Bühnenwände, auf denen man Schilf sieht. Das Bühnenbild spiegele durch seine labyrinthische Struktur Édouards Innenwelt wider. »Hauptdarsteller Matthias Winde wurde vom Publikum mit lautem Jubel und Bravorufen gefeiert. Aber auch die übrigen Schauspieler begeisterten in diesem zeitgemäßen Stück.« Auch wenn der Abend keine Lösungen bietet, mache er klar: »Humor hilft, wenn nichts mehr hilft: nötigenfalls Galgenhumor.«
Premiere: 19.10.2024
Spieldauer: 2 h 15 min /eine Pause
Spielort: Rudolstadt, Theater im Stadthaus
Regie: Herbert Olschok
Bühne und Kostüme: Andrea Eisensee
Dramaturgie: Oliver Mörchel
Edouard, Historiker: Matthias Winde
Madeleine, seine Frau: Franka Anne Kahl
Isabelle, Tochter von Edouard und Madeleine: Laura Bettinger
Patrick, Isabelles neuer Partner: Markus Seidensticker
Bérénice, Patricks Tochter: Klaudia Raabe
Rechercheur: Jakob Köhn
Fr, 08.11.2024, 19:30 Uhr
Rudolstadt, Theater im Stadthaus
So, 01.12.2024, 15:00 Uhr
Rudolstadt, Theater im Stadthaus