Der Prozess

Nach dem gleichnamigen Romanfragment von Franz Kafka in einer Bühnenfassung von Mario Holetzeck

Zuerst hielt Josef K. das Ganze für einen Scherz seiner Arbeitskollegen, denn genau am Morgen seines 30. Geburtstags wurde er verhaftet, ohne »dass er etwas Böses getan hatte«. Jemand musste ihn verleumdet haben. Von seiner Unschuld überzeugt, versucht der aufstrebende Bank-Prokurist die Gründe für seine Anklage zu erfahren, muss aber feststellen, dass die juristischen Regeln von Recht und Ordnung, an die er geglaubt hat, nicht mehr gelten. Was ihm zur Last gelegt wird, bleibt im Verborgenen, ebenso wie das Gesetz, das unbekannte Richter anwenden. Statt die Aufklärung seines Falls zu bewirken, wird seine Verstrickung immer größer. K. sieht zwar die Gefahr, die ihm droht, lässt sich jedoch immer wieder ablenken. Zu groß ist die erotische Verlockung, die das weibliche Personal im Umfeld des Gerichts auf ihn ausübt. Oder hat Josef K. seine bevorstehende Verurteilung durch die anonyme Macht längst akzeptiert, weil ihn die eigenen Schuld-Schamgefühle bei seinem Widerstand lähmen?

Kaum ein Schriftsteller hat sich so gnadenlos selbst den Prozess gemacht wie Franz Kafka. Um jeden Nachruhm zu verhindern, plante er die Vernichtung seines Nachlasses und wurde dennoch zum meistbewunderten deutschsprachigen Dichter des 20. Jahrhunderts. Gespenstischer als sein Romanfragment, das er zu Beginn des Ersten Weltkrieges zu Papier brachte, ist die Tatsache, dass seine alptraumhaft-absurden Visionen in der heutigen Gegenwart zur gefühlten Grunderfahrung von vielen geworden sind.

 

Wir danken Pankonin Rechtsanwälte für ihre Unterstützung im Rahmen der Stückpatenschaft.

 


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Pressestimmen

Kritik aus Junge Welt
21.02.2019, von Stefan Amzoll

Rezensent Stefan Amzoll findet zur Premiere eine »sehr anschauliche Spielfassung« von Kafkas Romanfragment vor. »Sieben Spielerinnen und Spieler schlüpfen in mehrere Rollen. Rascher Kleiderwechsel, ein teils enormes Ablöse- und Spieltempo sowie gestenreiche Arrangements sind angesagt.« Die choreografischen Tableaus von Gundula Peuthert seien »brillant«, genau so auch Oliver Baesler in der Rolle des gleichermaßen getriebenen wie rebellierenden Josef K.. Dieser gerät in Holetzecks »klarer, virtuos inszenierter, aus jeder Pore in die Gegenwart weisenden« »Prozess«-Arbeit am Ende des Abends zwischen die Mühlsteine. »Eine tolle Leistung des gesamten Ensembles«.

Folgen Sie dem Link zur vollständigen Rezension.

Kritik aus der Ostthüringer Zeitung
28.01.2019, von Frank Quilitzsch

Während Kafkas Prozess häufig als »Vorausahnung des Totalitarismus« interpretiert wurde, als »Menetekel auf die blutigen Diktaturen des 20. Jahrhunderts«, zeigt die Bühnenfassung von Mario Holetzeck, dass »mehr und vor allem noch immer Zeitgemäßes dahinter steckt«, beschreibt Frank Quilitzsch die Aufführung. Damit treffe er »den Nerv des Publikums«: »Herr K. im Zeitalter der Algorithmen.« Das Publikum feierte den Regisseur und das »virtuos aufspielende Ensemble« für eine »muntere und anregende Inszenierung«, in welcher Holetzeck »großartige Bilder« gelungen sind. Oliver Baesler brachte die »unfreiwillige Wandlung des Josef K. vom selbstsicheren Beamten zur an sich selbst zweifelnden, geschundenen Kreatur schnörkellos und überzeugend zum Ausdruck«.

Kritik aus Freies Wort
30.01.2019, von Peter Lauterbach

Mit Kafkas Romanfragment entstehe auf der Rudolstädter Bühne eine »unheilvolle Ahnung von der Macht der alles durchdringenden Netzwerke«, schreibt Peter Lauterbach im Freien Wort. »Über die Bühne wabern Worte, Zeilen, Sätze, Textblöcke«, die per Video an Raumteile projiziert, zu einem »unendlichen Datenstrom« werden. Und der Mensch irrt durch die Gänge, »immer begleitet von den Augen der Kameras«. Dank der sieben Spieler in noch mehr Rollen werde der Rudolstädter »Prozess« zu einer »penibel gespielten« Ensemble-Leistung. Die Komik, derer sich Regisseur Holetzeck bedient, komme vom Autor selbst, der anderen seine »düsteren Kapitel – so wird berichtet – mit einem lauten Gelächter vorlas«. »Nichts ist unheimlicher, als ein Lachen im Angesicht des Verderbens. Kafka in Rudolstadt – da lache, wer kann!«


Stückinfos

Premiere: 26.01.2019
Spieldauer: 2 h 30 min / eine Pause
Spielort: Rudolstadt, Theater im Stadthaus
Altersempfehlung: ab 16 Jahren


Mitwirkende

Regie: Mario Holetzeck
Bühne und Kostüme: Gundula Martin
Choreografie: Gundula Peuthert
Videoprojektion: Anke Tornow
Dramaturgie: Karolin Berg, Michael Kliefert

Josef K.: Oliver Baesler
Wächter 1 / Frau Grubach / Student 1 / Prügler / Bankangestellte / Maler Titorelli: Manuela Stüßer
Wächter 2 / Direktor-Stellvertreter / Frau des Gerichtsdieners / Bankangestellte: Laura Bettinger
Wächter 3 / Fräulein Bürstner / Student 2 / Leni / Bankangestellte: Marie Luise Stahl
Wächter 4 / Aufseher / Student 3 / Gerichtsdiener / Kaufmann Block / Bankangestellter: Benjamin Petschke
Wächter 5 / Untersuchungsrichter / Advokat / Bankangestellter: Jochen Ganser
Wächter 6 / Student 4 / Onkel / Gefängniskaplan / Bankangestellter: Johannes Arpe
Stimme Kind: Valentin Siebert