Schnucki, ach Schnucki

Hermann Leopoldi – ein Klavierkabarettist und seine Lieder

»… heut fahr’n mer nach Kentucky!« – mehr als zwei Zeilen braucht es nicht, und man hat das ganze übermütige Stimmungslied im Ohr. Doch der Mann, der den scheinbar hingeworfenen Worten den populären Klang verlieh, ist heute den wenigsten ein Begriff. Der Wiener Hermann Leopoldi – Barpianist, Klavierhumorist, Caféhauskomponist – war zwischen den beiden Weltkriegen ein Schlagerstar. Ob im Nobel-Varieté »Ronacher« oder im Kabarett »Leopoldi-Wiesenthal«, die Wiener jubelten ihm zu und lachten. Gastspiele in Prag, Berlin, Zürich, Hamburg und unzählige Schallplattenaufnahmen machten ihn bekannt im gesamten deutschsprachigen Raum. Seine Lieder waren albern, frivol, politisch, satirisch, ironisch, meisterhaft gereimt und mit Schmiss, Witz und Verve musiziert und gesungen. Nach dem »Anschluss« Österreichs an Nazideutschland im Jahr 1938 verhaftete man Leopoldi, der als Hersch Kohn geboren wurde, und deportierte ihn ins KZ. Gemeinsam mit dem Textdichter Fritz Löhner-Beda, der später in Auschwitz ermordet wurde, schrieb er das »Buchenwaldlied«. Leopoldi konnte das Lager verlassen und in die USA emigrieren. Ein Foto, das ihn zeigt, wie er kniend den amerikanischen Boden küsst, ging um die Welt.

»Schnucki, ach Schnucki« ist eine Hommage an den Esprit und die Vitalität einer weithin vergessenen Musik. In ausgewählten Stationen dieses bewegten Künstlerlebens spiegelt sich gleichsam ein Stück deutsch-österreichischer Geschichte.


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Pressestimmen

Matthias Biskupek über die Premiere
21.10.2018, www.matthias-biskupek.de

Vor sieben Jahren inszenierte Alexander Stillmark in Rudolstadt die Schauspiel-Revue »Freunde, das Leben ist lebenswert«, die Geschichte dreier Wiener Künstler, die sich im KZ Buchwald treffen: Fritz Grünbaum, Löhner-Beda, Hermann Leopoldi. Die drei wurden von Frauen gespielt, im Unterschied zum durchweg männlichen Wachpersonal. Eine grausam-schöne Revue: Theater und Politik, Historie und viel Stoff zum Nachdenken über unsere angeblich ganz anderen Zeiten.

Jetzt kann man im Theater »Schminkkasten« den Weg des Komponisten Hermann Leopoldi nachvollziehen, natürlich, wie es sich für das kleine Klubtheater gehört, hautnah und musikalisch, in einem Bar-Ambiente, in dem Reisekoffer auch zum Kleiderwechsel dienen und der bestens aufgelegte Pianist Jens-Uwe Günther beiseite am Flügel sitzt und gelegentlich trockene Einwürfe macht.

Buchautor und Regisseur Johannes Frohnsdorf lässt von Markus Seidensticker sein – also Leopoldis – Leben erzählen, was Anlass für Musik, Musik und – jawoll: Musik gibt. Annika Rioux gibt die Lebens- und Bühnenpartnerinnen des als Hersch Kohn bei Wien 1888 Geborenen. Sie darf auch mal Charlie Chaplin darstellen und die zwanziger Jahre neckisch im Kostüm aufscheinen lassen, von der Ausstatterin Gretl Kautzsch bestens besorgt. Wechselnde Porträt- und Genre-Fotos als Rückprojektion bereichern das Ganze unaufdringlich.

Man beginnt passend mit »Schön ist so ein Ringelspiel«, bringt später mit »A guater Tropfen dreimal täglich« und allerlei amüsanten Quodlibets jene Hoch-Zeit eines Tingeltangel-Kabaretts mit Sekt ohne Selters auf die Nudelbühne. Mit Stresemann und dem Völkerbund bricht die Politik herein, das launige Österreich wirft sich dem stramm-preußischen Nazi-Deutschland schmachtend an die Brust. Mit dem berühmten Lied »Oh Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen« – wir erinnern uns an die Aufführung vor sieben Jahren – ist ein Umschlag-Punkt erreicht. Leopoldi gehört zu den Begünstigten, die ein USA-Visum erhalten. Er baut sich in New York wieder ein Leben als Klavierhumorist auf, das titelgebende »Schnucki, ach Schnucki« von 1947 bringt das Programm zum Schluss und Höhepunkt, das Premierenpublikum erklatscht sich Zugabe um Zugabe.

Nun ist Seidensticker gewiss der bonvivant und sacre bonhomme dieses Theaterensembles; er genießt seine Rollen und Lieder in diesem Programm, schafft auch den Wiener Schmäh – für einen gebürtigen Preußen – recht gut. Annika Rioux mit Opernstimme hat es da schwerer, zumal sich ihr schauspielerisches Repertoire hier eher begrenzt zeigt. Weil in Kabarett-Hoch-Zeiten auch politische Satire ins Varieté geschmuggelt wurde, versucht man das hier mit Zeitgeist-Anspielungen.  (…)

www.matthias-biskupek.de


Stückinfos

Premiere: 20.10.2018
Spielort: Rudolstadt, Schminkkasten


Mitwirkende

Buch und Regie: Johannes Frohnsdorf
Bühne und Kostüme: Gretl Kautzsch
Musikalische Einstudierung: Jens-Uwe Günther
Dramaturgie: Michael Kliefert

Erzähler / Hermann Leopoldi: Markus Seidensticker
Bardame und weitere Rollen: Annika Rioux
Am Klavier: Jens-Uwe Günther